Die Weiterbildung meiner Göttergattin, die genau mit
dem Ferienbeginn in NRW geendet hat, war ein echter Zeitfresser. Zu vieles ist
liegen geblieben. Teile unseres Gartens sehen wie ein halber Urwald aus. Unser Vorgarten ist so überwuchert von Unkraut, dass er komplett neu gestaltet werden muss.
Mit Genuß habe ich Freitag und Samstag die
Staumeldungen in meinen Ohren zergehen lassen. Auf der A61 vor der
Ahrtalbrücke alles dicht. Bei der Rheinböllen 25 Kilometer Stau. Weiter
südlich, wurden bei Karlsruhe genauso die 25 Kilometer Stau erreicht. Das
Stauchaos war demgegenüber auf dem Kölner Autobahnring schon normal. Vor dem
Kreuz Leverkusen ging gar nichts mehr, das Kreuz Heumar war dicht. Stoßstange
an Stoßstange genauso vor dem Autobahnkreuz Aachen. Dieses gestreßte Studium
der Staumeldungen konnte ich mir ersparen. Dies war bisweilen so kompliziert
wie eine Doktorarbeit in Verkehrswissenschaften, bei Bruchsal oder bei
Sindelfingen oder bei Ahrensburg oder bei Cloppenburg die Autobahn zu verlassen
und über Bundesstraßen elegant die Staus so zu umfahren, dass wir wieder auf
der richtigen Autobahn in der richtigen Richtung landeten.
Damit der Urlaub auf Sparflamme vor sich her
köchelt, haben wir eine Angewohnheit beibehalten: wir schonen unser Auto, das
225.000 Kilometer auf dem Buckel hat, indem wir einen Leihwagen mieten und ganz
viel durch die Gegend düsen können. Diesmal ist es ein schnittiger Opel
Insignia, der beim Beschleunigen abzieht wie eine Rakete, der sich butterweich schalten läßt und auf der
Straße liegt wie ein Brett. Existenziell wichtig ist bei der momentanen Witterung, dass der Leihwagen den Luxus einer Klimaanlage hat, denn unser eigenes Auto verwandelt sich bei
Hitzewellen in einen Backofen.
In der Nachbarschaft, an Elternstammtischen oder am
Arbeitsplatz werden wir mit unseren Urlaubseindrücken nicht mithalten können.
Phantasialand anstelle Mallorca, Rheinromantik anstelle Badebuchten auf Kreta, Maare
in der Eifel anstelle Noblesse an der Côte d’azur. Dass es uns zu
Industriedenkmälern im Ruhrgebiet zieht, dürfen wir wahrscheinlich niemandem
erzählen. Urlaub und Ruhrgebiet ? Das ist geradezu provozierend und rebellisch,
dies mit Sandstränden rund ums Mittelmeer gleichzusetzen.
Bodensee, Costa Brava und Ostsee – das war unsere
letzten drei wunderschönen Urlaubsziele. Haben unsere Antriebe nachgelassen, für
längere Zeit einmal im Jahr wegzufahren und viel schönere Gegenden kennen zu
lernen ? Nun ist es soweit, dass wir keine Koffer packen müssen. All diese
Mühsal entfällt, als Vorstufe dafür den Wäscheberg so zu erledigen, dass dieser
in die Koffer hinein gezwängt werden kann. Wir brauchen keine Angst zu haben,
dass wir etwas absolut überlebenswichtiges vergessen haben, so dass wir am
Urlaubsort improvisieren müssen oder in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überlebenswichtige Teile heran schaffen müssen. Dass die Ferienwohnung genau unseren Vorstellungen entspricht, was wir brauchen, darum brauchen wir uns ebenso nicht zu sorgen.
Urlaub auf Sparflamme. Wir erholen uns, indem wir nicht
so richtig in Urlaub fahren. Ein paar Tage Legoland Günzburg, diese Tradition
halten wir aufrecht. Bei exponierten Reisezielen werden die Urlaubsdiskussionen
aus dem Ruder laufen. Andere machen eine Rundreise durch die USA. Oder eine
Kreuzfahrt durchs Mittelmeer. Oder an den Stränden auf den Malediven. Oder nach
Thailand. Zwischen den Weltbildern liegen Größenordnungen. Ich muss nicht die
USA gesehen haben, weil mir nach den letzten Abhörskandalen die USA suspekt
erscheint. Eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer wäre mir langweilig, weil ich
immer nur das Meer sehen würde. Ähnlich langweilig wäre es mir auf den
Malediven, weil dort ganz viel Meer mit viel zu wenig Land ist. Thailand könnte
vielleicht sogar interessant sein, weil mir die boomende Wirtschaft ein Begriff
ist. Trotz Thailand werden Urlaubsdiskussionen über derartige Urlaubszeile mich
befremden. Kultur und Identität des Landes sind komplett anders, das Vergleichen
und Abwägen zu Bekanntem gestaltet sich schwieriger.
Unabhängig vom Reiseziel, hat dies auch mit dem
Anspruch des Urlaubers zu tun, was er erleben will. Viele Urlauber wollen etwas
erleben, sie wollen Land und Leute kennen lernen, sie tauchen in die
Faszination fremder Städte und Gegenden ein. Viele Urlauber wollen aber nichts
erleben. Sie wollen ausspannen, abschalten vom Alltag, ihren Kopf freibekommen
und die Seele baumeln lassen. In die Andersartigkeit fremder Kulturen
einzutauchen, überfordert sie.
Beide Urlaubertypen haben ihre Daseinsberechtigung. Ob
wir an der Ostsee, an der Costa Brava, am Bodensee oder zu Hause Urlaub gemacht
haben, darüber werde ich mich auf Augenhöhe nur mit dem ersten Urlaubertypen
unterhalten können. Dabei erwarte ich von dem anderen Urlauber, dass dieser ein
Stück Abgedrehtheit mitbringt, um Rheinromantik oder die Eifelmaare als potenzielles
Urlaubsziel zu begreifen.
Wir sind spontan, denken von einem Tag zum nächsten.
Heute haben wir das Phantasialand in Brühl besucht. Solche Freizeitparks sind
zwar nicht mein Ding, dem Rest der Familie hat es aber bestens gefallen. Wohin
wir mit unserem Opel Insignia fahren, werden wir Morgen spontan entscheiden. In
unserem Urlaub auf Sparflamme gibt es im Rheinland noch so viel schönes zu
entdecken.