Samstag, 31. August 2013

Malereien auf Brückenpfeilern

Der Einfall ist ungewöhnlich, Brückenpfeiler unter einer Eisenbahnbrücke zu bemalen. Dafür ist die Chance hoch, die Malereien zu bemerken, wenn man an der Verkehrskreuzung vor der Ampel halten muss. An dieser Stelle lenken die Malereien von Hektik und Verkehr ab.



Dies sind die Brückenpfeiler vor der Unterführung …


… und direkt unter der Unterführung.







Die Motive sind höchst unterschiedlich und sie gefallen mir alle.  

Freitag, 30. August 2013

Aussenwerbung. Trifft. Jeden.


Die Welt wird auf den Kopf gestellt. Außenwerbung drängt sich ins Blickfeld, im Radio dudelt Werbung zwischen Musikstücken, Fernsehshows werden durch Werbeblocks jäh unterbrochen.

Niemand will die Werbung sehen. Sie sind Spam, Müll, wertlos, niemand braucht die Informationen. Als Fernsehzuschauer werde ich nicht gefragt, ob ich neben der Unterhaltung als Zusatzpaket auch die Werbung haben will. Bisweilen flüchte ich, wenn ich Fernsehwerbung sehe, ich zappe hin und her. Dabei stelle ich resigniert fest, dass die Werbung eine Art von Schmutzeffekt darstellt, den ich schlichtweg in Kauf nehmen muss, egal, zu welchem Sender ich zappe.

So wie bei dem Werbeplakat. Außenwerbung. Trifft. Jeden. Überall lullt mich die Werbung ein, wenn Oliver Kahn in eine knackige Wurst beißt, Dirk Nowitzki „Dibadu“ vor sich her säuselt oder die Menschheit mit Sprüchen wie „Ich bin doch nicht blöd“ für dumm verkauft wird.

Noch die Rolling Stones hatten den Aufstand gegen die Werbung geprobt. In dem Stück „Satisfaction“ sangen sie:

“When I'm drivin' in my car 
And that man comes on the radio 
He's tellin' me more and more 
About some useless information 
Supposed to fire my imagination 
I can't get no … satisfaction … “

Die Welt wird auf den Kopf gestellt. Wer auf Werbung verzichten will, muss bluten. So spielt zum Beispiel ein Werbespot bei der RTL-Sendung „Bauer sucht Frau“ schlappe 61.500 Euro ein. Einnahmen in einem solchen Umfang fehlen ARD, ZDF und übrigen Öffentlich-rechtlichen. Dies gleichen die Fernsehzuschauer mit ihren Gebühren aus. Wo gibt es sonst so etwas: dafür zu bezahlen, damit etwas verschwindet, was man sich nicht ansehen will.

Es ist so wie mit den Zeitdieben in dem Roman „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Die Zeit vergeht nutzlos, weil sie sich in ein Nichts auflöst, und die Menschen erhalten keine Gegenleistung für die verlorene Zeit.

Die Zeit läßt sich nicht zurückdrehen. 1984 wurden Privatsender neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugelassen. Seitdem boomt die Werbung und überschwemmt die Fernsehprogramme. Die Werbung wurde perfektioniert. Sie rückt in ganzen Werbeblocks an. Das Timing schiebt sich vor dem Anpfiff von Fußballspielen, vor den Tatort oder vor den Wetterbericht. Als Fernsehzuschauer werde ich seziert von der Werbung. Manchmal bemerke ich es gar nicht mehr, wenn ich Slogans vor mir hersumme wie „Wenn’s um Geld geht Sparkasse“ oder „Wir geben Ihrer Zukunft ein zu Hause – LBS“.

Wenn ich zum Bezahlsender „Sky“ wechsle, kann ich auch der Werbung entfliehen. Das ist dasselbe Geschäftsmodell: bezahlen, damit die Leistung ausbleibt. Alle ökonomischen Gesetze werden auf den Kopf gestellt. Die Werbung genießt Narrenfreiheit. Niemand kann sie stoppen. Außenwerbung. Trifft. Jeden.

Werbung könnte auch originell sein. So wie der Werbespot für den Toyota Auris Hybrid mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl. Beim „pulse running“ donnert Jan Josef Liefers gegen eine Straßenlaterne.


Donnerstag, 29. August 2013

mit dem Rennrad nach Maria Laach


Bis Königsfeld war die Radtour eine Art von Routine, denn eine Woche zuvor war ich exakt dieselbe Strecke geradelt. Unaufgeregt hatte ich hinter Bad Neuenahr die dreihundert Höhenmeter bewältigt. Maß halten, meine Kräfte einteilen; ich hatte versucht, eiserne Disziplin einzuhalten. Mit der Konstanz eines Uhrwerks war ich die Höhe hoch gekrochen, bloß nicht zu schnell.

Nur noch fünfzehn Kilometer bis zum Laacher See, und ab Königsfeld veränderte ich die Route. Diesmal ging es nicht ins Rheintal bergab nach Sinzig, sondern in einem lebhaften Auf und Ab bis zum Vulkantrichter des Laacher Sees. Die fünfzehn Kilometer zogen sich wie ein Kaugummi in die Länge, denn Steigungen und Abfahrten wechselten rasant. Die halbwegs ebenen Abschnitte waren kurz. Wenn sie kamen, schaute ich nach vorne, wie sich in der Ferne Berge auftürmten, in denen Massen vulkanischen Gesteins steckten.

Blick über die Eifelhöhen

Ich schoß hinab ins Tal des Brohlbachs nach Niederzissen, das, von der Sonne überflutet, unerklärlich blass wirkte. Über eine Einbahnstraße zwängte ich mich durch die Enge des Ortes. Niederzissen versank in der Bedeutungslosigkeit anderer Eifeldörfer, wenn man von der weißgestrichenen Kirche aus dem 13. Jahrhundert absah.

Abgemessen und human war die Steigung nach dem Ortsende. Steuobstwiesen begleiteten den Verlauf des Baches. Ich genoss es, nicht am Rande, sondern mittendrin in dieser Eifellandschaft zu sein. Ein Sägewerk pflanzte sich in die Landschaft, abgeerntete Felder kletterten den Berghang hinauf. An einer Rechtskurve war es soweit: dem kurzen und vehementen Anstieg konnte ich nicht entkommen.

Schon in Königsfeld waren sie mir aufgefallen. Das waren die braunen Hinweisschilder, die zu den Routen des Vulkanparks wiesen. Der nächste Ort, Wehr, gehörte nicht zu den Stationen des Vulkanparks. Aber das Aussehen der Häuser veränderte sich abrupt. Graue Basaltsteine beherrschten das Straßenbild, ein Grau, das strenge Muster auf die Häuserwände zeichnete. Trotz all der Sonne verband ich dieses Grau mit einem trüben, verregneten Tag. Vulkanisches Gestein prägte den Ort.

Wehr

Hinter Wehr ging es hinein an den Rand des Vulkantrichters. Hinab ins Tal, dem das vorläufig letzte Aufbäumen einer Steigung folgte. Wenn der Laacher See keine schlappe vier Kilometer entfernt gelegen hätte, wäre ich an der anschließenden Steigung verzweifelt. Das war brutal, wie sie sich schnurgerade den Berg hochzog. Meine Beine waren schwer, denn jede Menge andere Steigungen steckten in meinen Knochen.

Dann ging es bergab und mit einem Mal glitzerte die Oberfläche des Sees. Noch zwei Kilometer zur Abtei. Kurzer Abstecher zur Klosterkirche, dann Pause im Biergarten. Fast sechzig Kilometer war ich an einem Stück geradelt. Am Rande des Laacher Sees befand ich mich im Vulkantrichter, den das Regenwasser im Verlauf der Jahrtausende mit einem See gefüllt hatte.

Es gab unheilvolle Szenarien der Universität Duisburg, dass der Vulkanismus rund um den Laacher See nicht erloschen war, denn Bläschen mit vulkanischen Gasen stiegen im See auf.  Der Vulkan war zuletzt vor 10.000 Jahren ausgebrochen. In Afrika und in Japan hatte es andere Fälle gegeben, dass Vulkane nach 10.000 Jahren Ruhe wieder ausgebrochen waren. Jederzeit könnte also hier in der Eifel ein Vulkan ausbrechen. Ich ließ mich nicht durch solche Horrorszenarien beunruhigen.

Maria Laach

Daher fand ich es auch nicht abwegig, im Biergarten zwei Vulkan-Bräu zu trinken. Dieses Bier wird dreißig Meter unter der Erde in einem unterirdischen Felsenkeller gelagert, in dem bis ins 19. Jahrhundert Bimsstein abgebaut wurde. Süffig und lecker schmeckte das Vulkan-Gesöff nicht, aber es erfrischte und löschte den Durst, so dass bis zum Abend mein Flüssigkeitsbedarf gedeckt war.

Als ich Maria Laach in Richtung Rhein verließ, stellte ich überrascht fest, dass ich den See kaum zu Gesicht bekam. Nicht die Straße, sondern ein Fußweg führte das Seeufer entlang. Bäume versperrten die Sicht. Ein Campingplatz hatte sich am Seeufer breit gemacht. Mit dem Rennrad zum Seeufer hin, das hätte über holprige Wege keinen Sinn gemacht. Es gibt sie noch, diese Domänen, die man nur zu Fuß und nicht mit dem Rad erkunden konnte.

Vulkan-Express
Ein erneuter beschwerlicher Anstieg, bei dem ich mich wunderte, wie spielerisch leicht ein anderer Rennradfahrer mich überholte. Das deprimierte mich kaum, denn es gibt halt diese Rennrad-Profis, die einiges schneller sind als ich und mit viel Übung ein solch schwieriges Gelände meistern. Hinab ins Rheintal. An der Abfahrt, die länger als zehn Kilometer dauerte, hatte ich meine helle Freude.

Entsprechend der Themenroute des Vulkanparks, kreuzte der Vulkanexpress mehrfach die Straße. Das war eine Schmalspurbahn, die in Brohl am Rhein begann und in der Eifel in Engeln endete. Ausflugstouristen ließen sich damit durch das Brohltal kutschieren. Sie nehmen teil an Schlachtfest-Fahrten, Frühlings-Fahrten, Mondschein-Fahrten, Frühstücks-Fahrten, Nikolaus-Fahrten und noch vieles mehr.

Etwas weniger spektakulär setzte ich meine Fahrt den Rhein entlang fort. Das war auch gut so, denn ich wäre wahrscheinlich krepiert, wenn die Steigungen in demselben Rhythmus angedauert hätten. Gemächlich trabte ich in meinem Radfahrertempo vorwärts. Gelegentlich machte ich einen Foto-Schnappschuss – so wie am Friedensmuseum in Remagen.

Friedensmuseum Remagen
Am Ende des Tages hatte ich die Strecke von 120 Kilometern überraschend gut verkraftet. Die beruhigende Stille des Laacher Sees vermisste ich aber.

Dienstag, 27. August 2013

Bunker zu verkaufen


Im Krieg müssen sich dramatische Ereignisse abgespielt haben, die jede Action-Szene im Kino in den Schatten stellt.  So notiert ein Einwohner  in seinem Tagebuch, wie am 2. März 1945 um 8:45 Uhr Köln-Nippes bombardiert wird. Um Haaresbreite schafft er es in den Hochbunker Schnurgasse.

Er berichtet:
„Kaum waren wir drinnen, fielen auch schon die ersten Bomben. 25 Minuten hielt das Bombardement an. Der Bunker hebte und senkte sich. Staubwolken raubten einem den Atem. Frauen wimmerten, Kinder schrieen. Es gab Ohnmächtige. Eine Tür wurde vom Luftdruck herausgerissen. Da drängten die Menschen aus den bedrohten Räumen, in die unseren entfernt liegenden herein. Wenn wir Männer nicht ernsthaft zur Ruhe ermahnten, wäre dies zu einer Panik ausgeartet. So beruhigte man sich langsam wieder. Nachdem der Bombenhagel eine zeitlang verstummt war, wagte ich mich mal an die Luft.“

Solche Zeitzeugen, die fast siebzig Jahre alt sind, werden nun in Bonn zum Kauf angeboten. Dabei ist es erstaunlich, dass ich an einer Straßenkreuzung gelegentlich an einem Hochbunker vorbeikomme, ohne dass ich ihn jemals bemerkt habe. Oder vielmehr: wahrgenommen habe ich überwucherndes Efeu, das die Betonwände fest umschlungen hatte; diese merkwürdige Kombination aus Betonklotz und Dornröschenschlaf bekam ich nicht zugeordnet.

Nun sind die Geheimnisse gelüftet. Zwei Bunker aus dem zweiten Weltkrieg stehen zum Verkauf an, einer ist bereits verkauft. Im Jahr 1940 wurde ein Führer-Sofortprogramm zur Errichtung von Luftschutz-Sonderbauten ins Leben gerufen, in dem neben Luftschutzkellern auch ein Netz von Bunkern gebaut werden sollte. Dabei wurden diejenigen Städte in die höchste Dringlichkeitsstufe eingeordnet, in denen Waffen für den Krieg produziert wurden. Bonn hatte sogar Glück, denn die Stadt am Rhein war kein direkter Standort der Eisen- und Stahlindustrie. 1941/1942 wurde in der Stadt ein System von vierzehn Bunkern fertiggestellt, in dem 14.000 Menschen Schutz finden konnten. Danach regten sich Stimmen in der Gauleitung, dass die Kosten, die das Bunkerprogramm verschlang, unangemessen wären, weil Bonn von Luftangriffen verschont blieb. Das änderte sich am 12. August 1943, als Destillationsanlagen in Wesseling bombardiert werden sollten. Da die Anlagen wergen der Vernebelung nicht auszumachen waren, entschieden sich die Alliierten, mit dem Luftangriff auf Bonn auszuweichen. 1944 folgten weitere schwere Luftangriffe.

Quasi unzerstörbar und für alle Ewigkeit gebaut, haben diese Überbleibsel aus dem Krieg die Zeit überdauert. Etliche sind als Hochbunker gebaut worden, so dass Betonkolosse  in der Stadtlandschaft stehen. Mit allerlei Grün und Unkraut sind sie zugewuchert, sie verfallen kaum, an manchen Stellen haben sich Graffiti-Sprayer ausgetobt. So wie es mir gegangen ist, ahnt man nicht die schreckliche Vergangenheit, die sich innerhalb der meterdicken Mauern abgespielt hat.

Quasi unzerstörbar, ist es unverhältnismäßig teuer, sie abzureißen, umzubauen oder anderweitig zu nutzen. Die Bunker sind Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben befasst sich mit der Vermarktung, so als ob sie Bürogebäude, alte Kasernen oder ungenutzte Ministerien verkauft.

Wer will einen Bunker kaufen ? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und die Ideen sind abenteuerlich. So ist in Düsseldorf ein Bunker in eine Kirche umgebaut worden, in München in eine Diskothek. Verbreitet hat sich die Nutzung als Atelier für Künstler beziehungsweise Ausstellungen. Begehrt sind Bunker als Proberaum für Musikgruppen, da die Bunker entsprechend schallgedämmt sind und die Nachbarschaft nicht belästigen.

Einige Bunker sind zu Wohnungen umgebaut worden, wenngleich dies baulich schwierig ist. So müssen rund zwei Meter dicke Wände aufgestemmt werden und Fenster eingebaut werden. Wand- und Deckendurchbrüche für Versorgungsleitungen stoßen auf dieselben Probleme. Dafür kann auf Lärm- und Schallschutz verzichtet werden. Sämtliche Bunker befinden sich in attraktiven Innenstadtlagen, so dass diese zunehmend vermarktet werden können.

Bunker zu verkaufen ? Ich muss zugeben, dass sie den Hauch des Extravaganten haben. Ich bewundere den Ideenreichtum, was man aus nacktem Beton alles zaubern kann. In einem Bunker zu wohnen, damit hätte ich allerdings ein emotionales Problem. Gerne sehe ich in den Dingen ein Stück Vergangenheit, wo sie herkommen. Davor müsste ich in einem Bunker meine Augen verschließen.

Der Einwohner von Köln-Nippes, der in seinem Tagebuch über den Hochbunker Schnurgasse berichtet hat, muss im Krieg schreckliches mitgemacht haben.

Montag, 26. August 2013

Blindenbrunnen

In der Rheinaue steht ein Blindenbrunnen, den ich mir näher angesehen habe. Er erzählt ein Gleichnis:

„Als einst ein König die Blinden seines Reiches einen Elefanten betasten ließ, beschrieb ein jeder diesen auf seine Weise. So meinte der eine, der den Rüssel umfing, dass dies eine Schlange und der Stoßzahn ein Schwert sei. Ein anderer umfasste ein Bein und dachte, es sei der Stamm eines Baumes, während sein Nachbar das Ohr für ein gewaltiges Kohlblatt hielt. Jener, der das Schwänzchen befühlte, glaubte, einen Wurm zu greifen und dem Fünften schien die rissige Haut eine Felswand zu sein. Alles zusammen aber war ein Elefant. So machte jeder  seine eigene Erfahrung und fand seine eigene Wahrheit, so wie auch Sehende oft nur Teilwahrheiten erkennen und der absoluten Wahrheit gegenüber Blinde sind.“


Eine Tafel in Blindenschrift erzählt das Gleichnis.


Dies ist der Blindenbrunnen. 



Dies sind die tastenden Blinden, die die Wahrheit suchen.
  

Schilder in Blindenschrift erläutern den umliegenden Garten.

Samstag, 24. August 2013

mit dem Rennrad nach Sinzig


bergauf nach Königsfeld
Städte im Rheinland, die ich noch nie gesehen habe ? Im Umkreis von 50 Kilometer sind dies nicht allzu viele. Zumindest in den sehenswerten, historischen oder wichtigen Städten bin ich gewesen, wenngleich in manchen nur sehr kurz.

Ehrlich gesagt, hatte mich Franka mit ihrem Post auf die Idee gebracht, in einer Rennradtour Sinzig unterzubringen. Ich war noch nie in Sinzig. Das Gefühl war einzigartig, auf dem großen Platz zu sitzen und auf die wuchtige romanische Kirche aus dem 13. Jahrhundert zu schauen.

Doch beginnen wir von vorne. Bis Bad Neuenahr verläuft eine meiner Standardrouten. Wachtberg, Grafschaft, im Ahrtal biege ich normalerweise nach Ahrweiler ab. In Bad Neuenahr habe ich die Ahr überquert und bin anstatt dessen Richtung Königsfeld gefahren. Mitten in die Eifel hinein war dies der Härtetest dieser Tour. Nachdem ich die Ahr überquert hatte, die in Bad Neuenahr hinter dem Kurpark ungewohnt seicht und flach dahin floß, musste ich rund dreihundert Höhenmeter bewältigen. Am Stadtrand von Bad Neuenahr stieg das Höhenprofil kräftig an, flachte dann auf einem erträglichen Niveau ab. Anfangs fand ich die Treterei noch abwechslungsreich. In der Ferne erhaschte ich einen Blick auf die Autobahnbrücke A61, die sich mit ihrem mächtigen Brückenbauwerk über das Ahrtal stemmte. Ich folgte einem System von Kurven, das in schlappen Biegungen den Berg hoch krabbelte. Das pralle Sonnenlicht zerfaserte in der Urwüchsigkeit des Waldes, der bei den heißen Temperaturen angenehmen Schatten spendierte.

Später raubte der Anstieg doch meine Kräfte. Hinter jeder Biegung und Kurve erhoffte ich, dass es bergabwärts ging, doch es sollte dauern, bis ich die dreihundert Höhenmeter geschafft hatte. Ab Kilometer 8,3 auf der Landstraße 83 war es soweit. Erst glitt die Straße in sanften Schüben den Berg hinunter, hinter dem Waldrand wurde die Abfahrt rasant. Abgeerntete Getreidefelder öffneten sich, auf den Feldern verluden Bauern runde Strohballen auf Anhänger. Der Blick in die Weite war atemberaubend und sprang über Höhenzüge, die von dem satten Grün der Wälder überzogen waren.


Blick über die Eifelhöhen
Königsfeld war nichts besonderes, obschon es mehr als eintausend Jahre alt war. Die Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert versteckte sich hinter Scheunen und Schuppen, die mit Wellblech verkleidet waren. Die Häuser drängelten sich in das enge Tal hinein. Richtung Sinzig überraschte mich ein steiler Anstieg, der meine Hoffnung auf eine ausruhende Abfahrt ins Tal abrupt beendete.

Maternuskapelle
Inmitten der Anstrengung kam sie doch, die Episode des historischen Königsfeld. Nach einer Legende war der Heilige Maternus, der im 4. Jahrhundert Bischof von Köln war, nach Trier gewandert und hatte in der Nähe von Königsfeld Rast gemacht. Zu seinen Ehren hatte man im 17. Jahrhundert an derjenigen Stelle eine Kapelle gebaut, wo Maternus sein Nachtlager aufgeschlagen haben soll. Danach wurde die Kapelle ein reges Ziel von Wallfahrten. Im 19. Jahrhundert wurde die Kapelle so umgebaut, wie man sie heute vorfindet.

Die Fahrt den Berg runter nach Sinzig wurde holpriger, als ich es mir gewünscht hatte. Die Straße war grob asphaltiert und es wimmelte von Unebenheiten. Das hatten die Beamten vom zuständigen Straßenbauamt auch erkannt, denn einige Kilometer weiter sorgte eine Baustelle wieder für Ordnung. Einstweilen musste ich mich über die abgetragene Asphaltschicht quälen, danach bugsierte ich mich über eine frische Teerschicht, auf der mein Rennrad fast kleben zu bleiben drohte.

Ich atmete auf, als ich Sinzig erreichte. Ein letztes nerviges Stück führte bergauf, dann war ich im Zentrum. 50 Kilometer lagen hinter mir, also Zeit für eine Pause. Meine Premiere in Sinzig überraschte mich überaus positiv. Schön dicht lag alles im Zentrum zusammen: die romanische Kirche, das Rathaus und der Zehnthof. Und dann die ausgreifende Breite des Platzes vor der Kirche, die so großzügig war, wie ich es sonst nur von Plätzen in Belgien kannte. Ein wenig fühlte ich mich nach Maaseik, Tongeren oder St. Truiden versetzt. In Sinzig passte alles, vor allem das Café mit dem einladenden Blick auf die romanische Kirche. Das war ein erfrischendes Gefühl, Ecken des Rheinlandes kennen zu lernen, die ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte. 

Marktplatz in Sinzig

Prompt kam die Kellnerin, die beiden Weizenbier schmeckten nach all den Kilometer vorzüglich. Die romanische Kirche aus dem 13. Jahrhundert betrat ich nicht. Anstatt dessen streckte ich die Beine in die Länge und  ließ ich das imposante Gesamtbild mit dem rot-weißen Anstrich auf mich wirken.

Als ich Sinzig verließ, schimpfte ich über die Beschilderung, die nur an Autofahrer gedacht hatte. Schurgerade wurde ich auf die Kraftfahrstraße der B9 nach Remagen geleitet ohne alternative Beschilderung, wie denn bitte Fahrradfahrer nach Remagen gelangen sollten. Anstatt dessen stocherte ich kreuz und quer durch die Felder nach Remagen-Kripp an den Rhein (was mir einen Umweg von fünf Kilometern bescherte). Remagen war ein krasses Gegenstück zu Sinzig, denn Remagen war touristisch, setzte auf der Anziehungskraft des Rheins auf und die Ausflügler versammelten sich zahlreich.

Rheinpromenade in Remagen
Der Radweg am Rhein ist wunderschön, ich bin dort aber seit sieben Jahren nicht mehr gefahren. Er ist Teil des Radwegs von Köln nach Koblenz. Ohne Steigungen, führt er zu 80% direkt am Rhein entlang, so dass  auch weniger ambitionierte Fahrradfahrer gemächlich die Schönheiten des Rheins genießen können. Mich stört allerdings, wie frequentiert der Radweg ist und wie undiszipliniert sich diverse Fahrradfahrer verhalten. Dass Fahrradfahrer nebeneinander fahren und sich unterhalten, ist schon beinahe normal. Interessant wird es, wenn ganze Pulks sich im Schneckentempo vorwärts bewegen und kaum Notiz davon nehmen, wenn andere sie überholen wollen.

Ich will den Radweg nicht schlecht reden: er ist absolut sehenswert und wenn er nicht überbevölkert ist, ist der Rhein ein landschaftliches Erlebnis sondergleichen. Bahnhof Rolandseck, Nonnenwerth, Rolandsbogen, Drachenfels, Drachenburg: der Radweg war vollgespickt mit Sehenswürdigkeiten. Am Ende des Tages hatte ich neunzig Kilometer geschafft. Abends waren meine Füße schwer wie Blei. Ständig tauchte das Bild vor meinen Augen auf: der schöne Platz in Sinzig mit der romanischen Kirche.

Mittwoch, 21. August 2013

Zuckerrüben

Zur Herbstzeit war es eine nervende Qual, wenn ich in den 80er Jahren nach Köln fuhr. Die Autobahn A61 war noch nicht fertiggebaut, und ich musste über die Dörfer bis zur A4 Richtung Köln. Titz, Ameln, Rödingen, Steinstraß (das heute weggebaggert ist), dann kam die Autobahnauffahrt.

Tückisch wurde es rund um das Kaff Ameln, das in den allgemeinen Schlaf der Dörfer in der Jülicher Gegend verfiel – abgesehen von der Zuckerfabrik. Zur Herbstzeit tuckerten die Rübenfahrzeuge über die Straßen. Traktoren verteilten sich gleichmäßig über die Landstraßen, sie schleppten lange Anhänger hinter sich her, auf denen die frisch geernteten Zuckerrüben – auch Knollen genannt – sich zu Bergen auftürmten. Magisch zog es sie nach Ameln. Die Autofahrt wurde auf der schmalen Landstraße zu einem Hindernislauf. Ich wußte nicht, ob ich abbremsen oder beschleunigen sollte. Wie aus dem Nichts tauchten die Rübenfahrzeuge auf, mit den kantigen Anhängern versperrten sie die Sicht und waren mit ihrer Länge zum Überholen schlecht kalkulierbar.

Heimtückisch wurden die Rübenfahrzeuge in der Dunkelheit. Schlecht beleuchtet, musste ich höllisch aufpassen, wenn ich diese erst im letzten Moment erkannte. Es war überlebenswichtig, die Fahrt langsam angehen zu lassen. Auf unerwartete Kurven und schlecht geflickte Schlaglochpisten musste ich genauso aufpassen. Munter formierten sich die Rübenfahrzeuge vor dem Fabriktor zu einem endlosen Stau.

Was wäre das Rheinland ohne Zuckerrüben ? In der Jülicher Börde und der Zülpicher Börde erstrecken sich Lößböden, die mit ihrem hohen Anteil an Mineralien besonders fruchtbar sind. Also ein ideales Anbaugebiet für Zuckerrüben.

Ich war verblüfft über die Parallele zu den Aachener Printen, denn auch an der Erfindung der Zuckerrübe war Napoleon mit seiner Kontinentalsperre Schuld gewesen. Bei den Aachener Printen war es der Wildblütenhonig, hier war es der Zucker, das aus Amerika importiert wurde.

Bis dahin war Zucker ein unerschwingliches Luxusgut für Adlige und Reiche. Zucker wurde aus eingedicktem Zuckerrohrsaft gewonnen und seit der Entdeckung Amerikas in den Kolonien auf riesigen Plantagen erzeugt. Der Anbau von Zuckerrohr hatte den transatlantischen Sklavenhandel in Gang gesetzt, da die Ernte und die Siedehitze bei der Zuckergewinnung härteste Arbeitsbedingungen darstellten. Ähnlich wie Gewürze war Zucker so wertvoll, dass sich die Kolonialmächte um Kolonien mit Zuckerrohranbau stritten.

1806, als Napoleon mit seiner Kontinentalsperre gegen England einen Wirtschaftskrieg anzettelte, kam die Einfuhr von Zuckerrohr zum Erliegen. Englische Handelsschiffe stoppten die Belieferung Frankreichs mit amerikanischem Zucker.

Es kam zu Versorgungsengpässen in Frankreich. Dort wurde die Runkelrübe angebaut, dessen Zuckerhalt aber zu dürftig war, um daraus Zucker zu gewinnen. 1811 spendierte Napoleons Wirtschaftsminister eine Million Francs, um Zucker aus heimischen Rübenarten zu gewinnen. Fortab wurde geforscht und gekreuzt, gezüchtet und veredelt. 1812 war es soweit: am westlichen Stadtrand von Paris gelang es Benjamin Dellessert, den Zuckergehalt der Runkelrübe bis auf 20% anzureichern, so dass daraus Zucker gewonnen werden konnte. Daraus wurde die Zuckerrübe, die in den Jahren danach die Felder Nordfrankreichs bis ins Rheinland und nach ganz Europa eroberte.

Zuckerfabrik Ameln 1950, Quelle Stadtarchiv Bedburg
Mit dem technischen Fortschritt gelang es, Zucker aus Zuckerrüben in Fabriken zu gewinnen. Wenn man den Zuckerrüben bei der Destillation Knochen von Schweinen oder Rindern beimischte, erhöhte sich der Reinheitsgehalt des Zuckers. Das technische Allroundgenie Eugen Langen – der auch an der Entwicklung des Ottomotors und der Wuppertaler Schwebebahn beteiligt war – erfand einen Knochenkohleofen. 1851 gründete Eugen Langen mit Emil Pfeiffer, dem Gutsherren des Fronhofes, in Köln-Ossendorf die erste Zuckerfabrik im Rheinland. Dieses gemeinsame Unternehmen Pfeiffer & Langen besteht bis heute und beherrscht die Zuckerproduktion im Rheinland. Nachfolgend wurden weitere Zuckerfabriken im Rheinland gebaut, so in Elsdorf, Bedburg, Wevelinghoven, Jülich, Düren, Euskirchen – und in Ameln.

1991 hatte der herbstliche Spuk der Rübenfahrzeuge ein Ende: die Standorte der Zuckerproduktion wurden konsolidiert und konzentriert, die Zuckerfabrik in Ameln wurde geschlossen. Danach setzte sich der Trend der rückläufigen Zuckerproduktion fort. Getrieben durch die Reform des europäischen Zuckersektors im Jahr 2005 schrumpften die Standorte weiter zusammen. Bei meiner Motivsuche, Zuckerrübenfelder für diesen Post zu fotografieren, hatte ich massive Probleme. In der Köln-Bonner Bucht gibt es keinen nennenswerten Zuckerrübenanbau. Rübenfahrzeuge im Herbst sind daher die Ausnahme. Meist sind es auch keine Traktoren mit Anhängern, sondern richtige LKW-Ladungen, die in die vierzig Kilometer entfernte Zuckerfabrik nach Euskirchen fahren. Appeldorn, Euskirchen, Jülich und Wevelinghoven sind die einzigen Fabriken, die im Rheinland übrig geblieben sind.

Manche spekulieren, dass es mit der Zuckerproduktion wieder aufwärts gehen könnte. Zucker kann zu Alkohol vergärt werden, und Alkohol kann zu Bio-Sprit verarbeitet werden. Doch davon sind wir angesichts der aktuellen E10-Diskussion weit entfernt. 


Montag, 19. August 2013

Victor Hugo und der Rhein

Victor Hugo 70-jährig, Quelle Wikipedia
Er musste sich aufraffen. Er hasste die Unbequemlichkeiten des Reisens, aus Koffern zu leben, nicht im eigenen Bett schlafen zu können, die Hotels ständig zu wechseln. Es waren vor allem die holpernden und ruckelnden Postkutschen, die ihm auf schlecht befestigten Wegen den Nerv raubten, sein Gesäß strapazierten und seinen Rücken in Mitleidenschaft zogen.

Der Entschluss, an den Rhein zu reisen, entstand 1831. In Paris war Victor Hugo mit seinem Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ der literarische Durchbruch gelungen. Bereits mit 10 Jahren hatte Hugo zu schreiben begonnen, mit 15 Jahren wurde er erstmals ausgezeichnet, mit 16 Jahren studierte er Jura an der Pariser Sorbonne, mit Anfang 20 schrieb er Dramen. Für die Menschenrechte engagierte er sich, als er einen Roman über den Sklavenaufstand in Haiti schrieb; ebenso forcierte er die Abschaffung der Todesstrafe.

Die gesellschaftlichen Veränderungen hatten sein Interesse geweckt, die künstlerische Bewegung der Romantik hatte in Europa um sich gegriffen. In Paris lernte er Heinrich Heine kennen, der vor der Zensur geflüchtet war. Mit der Erfindung der Dampfschifffahrt hatte eine Art von Massentourismus am Rhein eingesetzt. Künstler und Intellektuelle bereisten den romantischen deutschen Fluss, darunter die französischen Schriftsteller Alexandre Dumas und Germaine de Stael.

Mit Frankreich und Deutschland sah Victor Hugo eine Völkergemeinschaft, die sich ergänzen konnte. Frankreich, das bedeutete für ihn Demokratie und Menschenrechte, Deutschland, in dieser Nation erkannte er methodisches Denken und Tiefgründigkeit. Der Rhein war für ihn die Vision eines Grenzflusses, der beide Nationen miteinander vereinigte.

Es sollte bis 1839 dauern, dass bis er das erste Mal den Rhein zu sehen bekam – aber nicht das Rheinland. Er reiste nach Straßburg. Dabei hatte er einen Teil seines Gepäckes postlagernd nach Köln geschickt, um mit einem Dampfer rheinabwärts zu fahren. Doch er änderte seine Reisepläne und fuhr in umgekehrter Richtung nach Schaffhausen.

Ein Jahr später, 1840, gelangte er schließlich ins Rheinland. Seine Reisegefährtin war übrigens nicht seine Ehefrau, sondern seine Lebensgefährtin Juliette Drouet, was seine Ehefrau zähneknirschend über sich ergehen ließ. Um unerkannt zu bleiben, trug er sich in den Hotels als „Vicomte Hugo“ ein.

„Der Rhein ist der Fluß, von dem alle Welt spricht und den niemand erforscht, den jeder besucht und den keiner kennt, den man im Vorübergehen wahrnimmt und den man schnell vergißt, den jeder Blick streift und der von niemandem geistig durchdrungen wird“ so beschrieb er allgemein den Rhein.

Vom 29. August bis zum 1. November 1840 dauerte seine Reise durch Deutschland. Er machte sich Notizen, führte ein Reisetagebuch und schrieb regelmäßig Briefe an seine Ehefrau Adèle und seine vier Kinder. Da er seine Reisebeschreibungen bis zur Veröffentlichung nur geringfügig überarbeitete, musste er mit dem Tempo eines Irrsinnigen seine Notizen gemacht haben und abends im Hotelzimmer bis mitten in die Nacht sein Tagebuch geschrieben haben.

Victor Hugo kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: „Rheinaufwärts, eine Meile über St. Goar (...) bemerkt man plötzlich an dem Bogen zwischen zwei Bergen eine schöne altertümliche Stadt, von der Anhöhe bis an das Flußufer reichend, mit alten Gassen, die wir in Paris nur auf den Dekorationen der Oper zu sehen bekommen, mit vierzehn Türmen mit Zinnen, mehr oder minder von Efeu umwachsen und mit zwei großen Kirchen aus der reinsten gotischen Zeit. Es ist Oberwesel, eine der Rheinstädte mit vielen Kriegsspuren. Die alten Mauern sind von Kanonen und Kugellöchern dicht besät. (...) Wie fast alle Rheinstädte, hat auch Oberwesel auf seinem Berge eine Burg in Ruinen, den Schönberg, eines der bewunderungswürdigsten Schuttwerke, die es in Europa gibt.“

Er schwelgte in romantischen Gefühlen, ließ sich verzaubern und einlullen, war hingerissen vom Rhein und seiner Burgenlandschaft. Dies brachte er in ausschweifenden Naturbeschreibungen zu Papier. In der heutigen Zeit hätte er sich sogar Plagiatsvorwürfe gefallen lassen müssen. Vor seiner Reise hatte er mehrere Reiseführer studiert. Aus einem Reiseführer von Aloys Schreiber, der 1831 erschienen war, hatte er mehrere Textstellen wortwörtlich abgeschrieben.

Denkmal Victor Hugo in Paris; Quelle Wikipedia
Bacharach hatte es ihm besonders angetan: „Ich befinde mich in diesem Augenblick in einer der schönsten, angenehmsten und unbekanntesten alten Städte der Welt. Ich bewohne Gelasse wie die von Rembrandt, mit Bauern voll Vögeln an den Fenstern, sonderbaren Laternen an der Decke und mit Wendeltreppen in den Stubenecken, woran die Sonnenstrahlen hinaufschleichen. Im Schatten brummten eine alte Frau und ein Spinnrad mit gewundenen Füßen um die Wette. Drei Tage brachte ich in Bacharach zu, einer Art Wunderland am Rhein, vergessen vom guten Geschmack Voltaires, vergessen von der französischen Revolution, von den Kriegen Ludwigs XIV., vom Kanonendonner der Jahre 1797 und 1805 und den modischen Architekten, die Häuser wie Kommoden und Schreibschränke machen. Bacharach ist wohl der älteste von Menschen bewohnte Ort, den ich in meinem Leben gesehen.“

Die Deutschlandreise führte ihn bis nach Stockach an den Bodensee. Zurück ging es durch den Schwarzwald, über Heidelberg, Mannheim, Kaiserslautern und Saarbrücken nach Paris.

Wem gehörte der Rhein ? War er ein Grenzstrom ? Oder war er ein deutscher Strom ? Victor Hugo betrachtete den Rhein als gewaltige europäische Ader, die Geschichte und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit miteinander verband. Er dachte sogar in der Vision, dass der Rhein als Drehscheibe Europas in einer späteren Phase England und Rußland in ein vereinigtes Europa integrieren sollte.

Bis 1845 dauerte es, dass sein Reisetagebuch „Voyage sur le Rhin“ erschien. In Frankreich und in Deutschland war das Buch ein Knaller. In demselben Jahr stieg Victor Hugo in die Politik ein, als er unter König Louis Philippe Abgeordneter der Nationalversammlung wurde. Dort war er ein vehementer Verfechter für Menschenrechte und Meinungsfreiheit.

1870 stürzte sein Weltbild in sich zusammen, als der deutsch-französische Krieg ausbrach. Der Rhein als Spaltung zwischen Deutschland und Frankreich ? Der „worst case“, an den er niemals gedacht hatte, trat ein. Deutschland überrollte Frankreich, die Festung Sedan wurde erobert, der deutsche Kaiser wurde im Spiegelsaal von Versailles gekrönt. Elsaß und Lothringen wurden annektiert.

Victor Hugo wird sich wohl noch heute im Grabe umdrehen: der Rhein wurde als Grenzfluss zu einem Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland. 

Sonntag, 18. August 2013

Wachtberg-Berkum - Burg Odenhausen

Rheinische Burgen – üblicherweise denkt man an all die Burgen und Burgruinen im Rheintal rheinaufwärts ab Bonn. Aber das Netz von Burgen ist im Flachland dichter. Sie schmiegen sich unerkannt in der Landschaft. Gemeinsam mit den Höhenburgen in den Mittelgebirgen ist der Typ der Wasserburg entstanden, die in Flußnähe oder in feuchten Niederungen ein Wassergraben umgibt. Der wehrhafte Charakter mit Türmen, Festung und Ringmauer ist bis heute bei vielen Wasserburgen erhalten geblieben. So wie manche Höhenburgen sind auch Wasserburgen bis zu 1000 Jahre alt.


Bei meiner Rennradtour bin ich an der Wasserburg Odenhausen vorbeigekommen.


Ich schaue über den Wassergraben auf die Burg.


Die Wasserburg Odenhausen nimmt eine Ausnahmestellung ein, denn sie ist im Rheinland unterhalb des Wachtbergs eine der höchstgelegenen Wasserburgen.


Zwei Löwen bewachen die Brücke über den Wassergraben.


Der heutige Bau aus dem Jahr 1560 wurde von Ludwig Blackart erbaut. Nicht unweit davon, wurde eine erste Burg im 14. Jahrhundert erbaut.


Der Erker wurde im Stil der Renaissance umgebaut.



Wirtschaftsgebäude grenzen im Innenhof an die Burg an.


Wirtschaftgebäude und Burg sind getrennt durch den Wassergraben.


Eine Mutter-Gottes-Figur ziert eine Ecknische.


Steinkreuze stehen vor der Mauer zum Wassergraben.


Auf der Rückseite der Burg kann man schön den Wehrturm erkennen.