Den Moment ausnutzen und die Schönheit des
Augenblicks genießen. In der Nacht auf Sonntag war das geschehen, worauf wir im
letzten Winter vergeblich gewartet hatten: es hatte so geschneit, dass selbst das
Flachland in der Köln-Bonner-Bucht von einer dünnen Schneeschicht überzogen
war. Eisige Temperaturen, genau gesagt, minus sieben Grad, begrüßten die glitzernde
Morgensonne in der frostklaren Luft. Auf ins Siebengebirge. Wir fuhren zum
Wanderparkplatz auf der Margarethenhöhe. Und von dort aus zu Fuß zum
Ölberggipfel, wo wir auf dem höchsten Berg des Siebengebirges eine ordentliche
Ladung Schnee erwarteten.
Noch stand die Sonne schräg und die Schatten waren
lang. Das Spiel des Lichtes auf dem Schnee war grandios.
Mir war die Geschichte bislang wenig bekannt, dass
der Ölberg um die 1900er-Jahrhundertwende zum Verkaufsobjekt wurde. Das klingt
vielleicht schräg und vermessen, dass ein Berg verkauft wurde, oder vielmehr,
nicht der ganze Berg, sondern ein Teil des Berges. Es war aber so. Das hängt
mit der anderen Seite des Ölbergs zusammen, die nach Ittenbach weist. Wie in
anderen Teilen des Siebengebirges, fraßen sich die Steinbrüche in die Berge
hinein. Daraufhin setzte sich der Verschönerungs-Verein Siebengebirge (VVS) zum
Ziel, diesen Raubbau an der Natur zu stoppen. Mit Unterstützung der Rheinischen
Provinzial-Regierung führte der VVS Lotterieaktionen durch,
die bis Köln reichten. Mit den Gewinnen kaufte der VVS Teile des Siebengebirges
auf, um den Abbau von Gestein zum Erliegen zu bringen. So kaufte der VVS 1899 den
nach Ittenbach weisenden Teil des Ölbergs auf, an dem der Steinbruch betrieben
wurde. Zu dieser Zeit war eine solche unternehmerfeindliche Vorgehensweise
möglich, da auch die Rheinische Provinzialregierung den Erhalt der Natur für
wichtiger betrachtete als die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Ich stelle fest,
dass sich Argumente und Grundkonstellationen bis heute nicht verändert haben. Nach
der Schließung der Steinbrüche im Siebengebirge – das geschah bis 1940 - haben
sich diese verlagert, in den Westerwald hinein und auf die andere Rheinseite
ins Drachenfelser Ländchen.
Ich traute kaum meinen Augen, als uns zwei Mountainbikefahrer
begegneten. Bergauf, stelle ich mir dieses Landschaftsgefühl noch prickelnd
vor, wie man in der weißen Schneelandschaft mit um die 10% Steigung den Berg
hoch kraxelt. Aber bergab ???? Ich würde nur noch schieben, alles andere wäre bei
diesem glatten Untergrund Wahnsinn und Selbstzerstörung.
Auch dieser Mobilfunkmast dürfte zum Denken anregen.
Der Netzempfang ist zwar bestens, aber muss man dafür dermaßen die Landschaft
verschanden ? Ginge es nach den Netzbetreibern, würde das Siebengebirge im Zuge
der superschnellen LTE-Netze mit weiteren Mobilfunkantennen zugepflastert.
Dagegen wehrt sich mittlerweile eine Bürgerinitiative „Risiko Mobilfunk“.
Immerhin hat diese Bürgerinitiative erreicht, dass auf der Rückseite des
Ölberges – in Richtung Thomasberg – das Oberverwaltungsgericht Münster im Jahr
2012 den Aufbau eines weiteren Mobilfunkmastes untersagt hat.
Man beachte die Schreibweise des Gasthauses auf dem
Ölberg: nicht „Ö“, sondern „Oe“. Der Ölberg hat nichts mit der Bibel zu tun, sondern
er leitet sich ab aus einer Grenzmarkierung im Mittelalter zwischen den Kölner Erzbischöfen
und dem Herzogtum Berg. „Mael“ stand einst für einen Grenzstein, daraus wurde
nach einigen Sprachverwandlungen „Oelberg“, geschrieben mit „Oe“.
Als wir das Gasthaus betraten, um eine Tasse Kaffee
und einen Kakao zu trinken, waren wir überrascht, welches rege Treiben gegen
zehn Uhr morgens herrschte. Ob wir denn einen Tisch reserviert hätten, fragte
uns der Kellner, den wir in einem Übergangszustand zwischen Hektik und Panik
erwischten. Die meisten Tische waren belegt, lange Tische, an denen sich
Gruppen zusammengefunden hatten, oder Familien von Opa und Oma bis zu den Enkelkindern,
um dem familiären Beisammensein auf 460 Metern Höhe neue Dimensionen zu
verleihen. Ja, so gerade waren zwei Plätze noch frei, und wir konnten
beobachten, wie man auf den frühen Morgen mit einem Glas Sekt anstieß, wie der
Brötchenkorb zum Bauernfrühstück durch die Hände wanderte, wie die Marmelade
als Brotaufstrich überquoll. Sonne und blauer Himmel hatten wohl beigetragen, dass überall gute Laune herrschte.
Vor und nach unserer Pause im Ölberggasthaus
genossen wir die Aussicht von der Plattform. Der 360 Grad-Rundumblick besticht
in der Tat, über das Siebengebirge hinweg, auf den Rhein,
auf Bonn und an Tagen mit klarer Sicht bis nach Köln.
Und auch auf unserem Rückweg entwickelten Bäume und
Astwerk eine urwüchsige Kraft, als die schneebedeckte Landschaft des
Westerwaldes hindurch schien. Dieser Spaziergang hatte sich gelohnt. In frostklarer Luft hatte ich die Schönheiten des Siebengebirges eingeatmet.